Pharma

Antibiotika: Warum die Versorgungssituation gefährdet ist

18.11.2023

Es gibt nur eine begrenzte Auswahl an Antibiotika. Zusätzlich sind manche davon aktuell wenig lieferbar. So registriert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medikamente seit Herbst 2022, dass viele Antibiotika nicht verfügbar sind. Vor allem solche für Kinder sind davon betroffen. Im vergangenen Winter war der Mangel allgegenwärtig: Neben Husten- und Fiebermedikamenten waren Antibiotika knapp. Eltern mussten lange Wege auf sich nehmen, um Arzneimittel für ihre Kinder zu organisieren.

Warum kommt es zu Versorgungsengpässen? Im vergangenen Jahr haben sich die Lieferzeiten verdoppelt. Der Gründe für das Problem liegen unter anderem an der Vergütung für die Medizin. Ein Großteil der Arzneimittel in Deutschland haben einen Festpreis. Das heißt, die Krankenkassen übernehmen nur in dieser Preisgrenze die Kosten. Da aber Produktionskostens- und Herstellungskosten ständig steigen, ist die Herstellung der Antibiotika für Unternehmen hierzulande nicht mehr wirtschaftlich. Viele Hersteller sind auf Zulieferer angewiesen. Die meisten Wirkstoffe kommen aus Asien. Durch die Pandemie wurde die Produktion gedrosselt - es wurden weniger Antibiotika produziert als gebraucht wurden.

Laut dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Dr. Kai Joachimsen, wird sich auch auf Sicht nicht ändern: Die Politik tut zu wenig, um das Problem zu lösen. "Nach wie vor fehlen umfassende und strukturell tiefgreifende Maßnahmen. Es braucht dringend neue Preisstrukturen, mit denen in Europa produzierende Unternehmen Kosten kompensieren können, ohne dass sie parallel mit Nachteilen im internationalen Wettbewerb rechnen müssen. Bei allen Arzneimitteln der Grundversorgung muss der Preisdruck endlich fallen, insbesondere bei den versorgungskritischen", warnt Joachimsen. Oberstes Ziel müsse es sein, die weitere Abwanderung von Unternehmen zu verhindern.

Neben der nicht gesicherten Versorgung sind Antibiotika-Resistenzen eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung. Die Zunahme antibiotikaresistenter Bakterien ist größtenteils auf den übermäßigen oder unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika bei Menschen und Tieren zurückzuführen. Antibiotika sollten, damit sie wirken, gezielt eingesetzt werden. Ist das nicht möglich, weil die “passenden” Mittel nicht verfügbar sind, werden oft sogenannte Breitbandantibiotika eingesetzt. Damit werden Resistenzen gefördert: Krankheitserreger stellen sich auf Antibiotika ein und deren Wirksamkeit lässt nach. 

Antibiotikaresistenzen führen zu längeren Krankenhausaufenthalten, steigenden medizinischen Behandlungskosten und einer höheren Sterblichkeit. Derzeit verzeichnet die Europäische Union jährlich mehr als 33.000 Todesfälle, die auf Infektionen mit multiresistenten Erregern zurückzuführen sind.

Um die Situation zu verbessern, sind deshalb mehrere Faktoren entscheidend. Vor allem ein bewusster Umgang mit Antibiotika hilft, eine Resistenz zu vermeiden. Zum anderen ist es wichtig, neue antibiotische Wirkstoffe zu finden. Doch die Forschung danach ist zeitaufwendig und kostet daher viel Geld. Pharmaunternehmen müssen langfristig in Vorleistung gehen, ohne wirkliche Aussichten darauf, diese Investitionen wieder einzuspielen: Die Preise, die für Antibiotika durch die Arzneimittelpreisregulierung erzielt werden können, erlauben keine wirtschaftliche Forschung und Entwicklung. 

Pharmaverbände und -unternehmen warnen schon lange vor dieser Situation und fordern von der Politik, dass System zu ändern. Forschungsanreize sollten geschaffen werden und die Möglichkeit, mit der Herstellung auch solcher Arzneimittel wieder ein Plus zu erwirtschaften.