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Standort Baden-Württemberg | Unsere Zukunft steht auf dem Spiel

13.12.2023

Die Hoffnungen der deutschen Chemieindustrie auf eine Besserung zum Jahresende schwinden, eine Trendwende der Konjunktur ist nicht erkennbar. Die Zahlen des dritten Quartals sind auch im Südwesten Besorgnis erregend. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht einen speziellen Abwärtstrend: Deutschland ist 2023 die einzige bedeutende Volkswirtschaft, die schrumpft.

Es ist fünf vor zwölf, die Brandherde lodern an vielen Stellen – kaum zu sagen, wo zuerst gelöscht werden muss: bei den extrem hohen Energiekosten, bei den notwendigen Transformationen zur Klimaneutralität, bei der drohenden Unterversorgung mit Wasserstoff im Südwesten, beim demografisch bedingten Fachkräftemangel – oder am besten gleich beim Reformstau der Bundesregierung.

Kritische Zahlen

„Es geht um die Zukunft des Industrie- und Chemie-Standortes Baden-Württemberg“, bringt Patrick Krauth, Vorsitzender des agvChemie, die Brisanz der Lage auf den Punkt. Das Problem für den hiesigen Mittelstand: Er kann nicht ausweichen und ist den hohen Energiekosten und dem Kostendruck durch immer mehr Bürokratie voll ausgesetzt. Die Folgen sind nicht nur spürbar, sondern dramatisch: Der Umsatz der Teilsparte Chemie brach um 3,5 Prozent ein, Farben und Lacke um 2,5 Prozent. Sie verzeichnen nunmehr seit sechs Monaten rückläufige Umsätze. Und auch die Beschäftigtenzahlen in der Chemiesparte stagnieren gegenüber dem Vorjahr.

Ausufernde Bürokratie

Durch den Reformstau in der Politik und die zahlreichen rechtlichen Verschärfungen aus dem „Green Deal“ spitzt sich die ohnehin dramatische Situation für die Unternehmen weiter zu. Björn Sucher, Hauptgeschäftsführer des agvChemie, erklärt: „Das europäische Lieferkettengesetz zum Beispiel kann nur mit hohem Personal- und Sachaufwand eingehalten werden – und das, obwohl es Branchenlösungen gibt, die hier subsidiär greifen könnten!“ Hier muss die Politik handeln.

Zusätzlich problematisch für die vom Mittelstand geprägte Chemiebranche in Baden-Württemberg sind die hohen Personalkosten. Die inzwischen wieder auf Rekordhöhe gestiegenen Sozialbeiträge sorgen hier für eine enorme Belastung der Arbeitgeber – zusätzlich zur hohen Inflation und ausufernden Bürokratie.

Hohe Energiekosten

Die aktuelle Lage für den Industriestandort im Südwesten ist bedrohlich. Doch damit nicht genug: Auch der Blick in die Zukunft ist düster, so beim Thema Energieversorgung. Als energieintensive Branche entfallen rund 9 Prozent des deutschen Energieverbrauchs auf die Chemie. Bei Erdgas und Strom, den wichtigsten Energieträgern der Branche, ist der Anteil noch höher. Fakt ist, dass im internationalen Vergleich unsere chemisch-pharmazeutische Industrie oft deutlich höhere Preise für Strom und Gas zahlen muss als anderer Wettbewerber. Seit Monaten diskutiert die Bundesregierung, wie energieintensiven Unternehmen geholfen werden kann, eine Entscheidung gibt es aber nach wie vor nicht: „Wir brauchen einen international wettbewerbsfähigen Strompreis als Investition in die Zukunft der deutschen Industrie“, so Martin Haag, Vorsitzender des VCI BW.

Wasserstoff droht zu fehlen

Die Hoffnung, dass der auch für die Klimaneutralität so wichtige Energieträger Wasserstoff die hiesigen Energieprobleme in Zukunft lösen könnte, trügt. Auf der Leitungslandkarte von Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, ist der Südwesten von Baden-Württemberg weiterhin ein weißer Fleck auf der Karte. Daran arbeiten die Verbände, denn: „Baden-Württemberg darf nicht abgehängt werden“, bekräftigt Haag.

Fazit

„Das Jahr 2023 wird keine Erholung mehr bringen“, ist sich der agvChemie-Vorsitzende Krauth sicher. Und auch für das Jahr 2024 ist er nicht optimistisch: „Wir können nur hoffen, dass die Rohstoff- und Energiepreise sinken, die Inlandskonjunktur wieder anzieht und sich die weltpolitischen Probleme nicht weiter verschärfen.“

 

Reformstau

Die Politik muss endlich handeln!

Wir brauchen:

• eine Entscheidung, wie energieintensiven Unternehmen geholfen werden kann

• eine Reform der Sozialsysteme, die die Beitragslast dauerhaft unter 40 Prozent drückt

• eine Steuerreform, die Leistung honoriert

• eine Beschleunigung der Transformation durch effizientere Genehmigungsverfahren

• mehr Investitionen in Bildung, damit Berufsschulen nicht mehr verfallen und junge Menschen die Schule nicht ohne Abschluss verlassen

• eine positive Einstellung zur Arbeit und keine Debatte über eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich