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Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft: Innovationen als unternehmerische Chance aus Sicht der Chemie / „Chemie 4.0“ beschreibt den Weg der Branche

18.10.2017

Auch in etablierten und großen Unternehmen ist Innovation ein entscheidender Erfolgsfaktor. Und sie geht in die Richtung einer Kreislaufwirtschaft (circular economy). Das wurde in einer Podiumsdiskussion „Innovationen als unternehmerische Chance“ auf dem Ressourceneffizienz- und Kreislaufwirtschaftskongress Baden-Württemberg 2017 deutlich. Prof. Dr. Katharina Hölzle von der Universität Potsdam, Dr. Christoph Vondenhoff, Michelin, und Timothy Glaz, Werner & Merz, diskutierten darüber am Mittwoch in Stuttgart mit dem baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller.

Chemie 4.0 und zirkuläre Wirtschaft

Die Chemie-Branche – aus der die beiden Unternehmen kommen – hat mit „Chemie 4.0“ das Ziel der zirkulären Wirtschaft aufgegriffen: Die chemische Industrie bietet zahlreiche Optionen für mehr Ressourceneffizienz. Denn: Geschlossene Stoffkreisläufe gewinnen in Europa an Bedeutung. Trotz Recycling werden aber derzeit in der EU aber nur 13 Prozent aller eingesetzten Materialien in Kreisläufen geführt. Deutschland ist hier deutlich weiter: Knapp die Hälfte (46 Prozent) des Kunststoffabfalls von 5,9 Millionen Tonnen wird durch Recycling wieder stofflich genutzt, 53 Prozent werden energetisch verwertet. Von der Chemie oder chemienahen Unternehmen sind verschiedene industrielle Rücknahmesysteme im Markt etabliert worden, zum Beispiel für das Recycling von Fensterprofilen, Agrarfolien und Chemiepaletten. Und die energetische Verwertung von Kunststoffen trägt dazu bei, dass aus Abfällen Energie und Wärme gewonnen wird.

Da das Konzept einer zirkulären Wirtschaft aber über klassisches Recycling hinausgeht und alle Maßnahmen einschließt, die die Ressourceneffizienz steigern, wird das Konzept Einfluss auf Produktportfolios und Geschäftsmodelle der chemisch-pharmazeutischen Industrie nehmen. Die Branche besitzt hier eine Reihe strategischer Optionen für die Zukunft: Hochleistungswerkstoffe, um den Ressourcenverbrauch bei den Kunden zu reduzieren, verstärkter Einsatz nachwachsender Rohstoffe und biologisch abbaubarer Produkte, Gewinnung von Basischemikalien in Bioraffinerien, Nutzung von Abfall als Rohstoff („Waste to Chemicals“) und von Stromüberschüssen zur Herstellung von Chemikalien („Power to X“) sowie die Verwertung von CO2 als Rohstoff.

Innovation: Wirtschaftlichkeit plus Nutzen – für alle

Für ein Unternehmen hat natürlich die Wirtschaftlichkeit einen hohen Stellenwert: Aber, wie Dr. Christoph Vondenhoff für Michelin deutlich machte: Ein Unternehmen muss immer ethisch verantwortlich handeln – und natürlich will Michelin mit Reifen Geld verdienen! Das funktioniert nur mit ständiger Innovation. Dabei sei Michelin immer vorne dabei gewesen – zum Beispiel bei Energiesparreifen. Michelin hat seinen Ingenieuren dazu ganz klare Ziele gesetzt, um den Rollwiderstand deutlich zu senken. Daneben steht Michelin aber weiterhin für langlebige Reifen und wünscht sich einen echten Mehrwert: „Der Kunde will einen Reifen haben, der lange läuft – und der einfach keine Probleme macht“. Daran orientiere sich die Entwicklungsarbeit, so Vondenhoff.

Für die Zukunft ist er sich sicher: „Reifen werden wir noch lange brauchen, die Zukunft sehe ich positiv“. Aber anders: Es werde Reifen geben, die sehen gar nicht mehr aus wie ein Reifen, und deren Eigenschaften sind dann auch andere – beispielsweise auch im Sinne einer Circular Economy (Konzeptstudie Michelin – Quelle Auto-Motor-Sport).

Vernetzung im Mittelstand stark

Der Mittelstand – Werner & Mertz als Beispiel – profitiert stark von Kooperationen. Da müsse man, so Timothy Glaz. für Innovationen nicht ins Ausland gehen – die Anregungen kommen aus dem eigenen Haus, aus anderen Unternehmen oder auch aus der Wissenschaft.

Unterm Strich wird klar: Deutschlands Unternehmen sind sehr innovativ. Und sie können sich vieles von Unternehmen, Startups und Denkern aus aller Welt abschauen. Verstecken müssen sie sich aber nicht, so Prof. Hölzle.

Untersteller: Anreize statt Regulierung

Das Umweltministerium Baden-Württemberg fördert unter anderem, wie Minister Untersteller darstellte, über die Tochtergesellschaft Umwelttechnik BW mit Projekten wie „100 Betriebe für Ressourceneffizienz“ (http://pure-bw.de/de/100betriebe/winners) die Weiterentwicklung im Land. Da gebe es durchaus „low hanging fruits“, so Untersteller, die es zu ernten gelte. „Baden-Württemberg baut so gut wie alles, aber wir importieren fast alle Rohstoffe“, so Untersteller. Wichtig für ihn ist auch: Es braucht keine gesetzlichen Vorschriften für Ressourceneffizenz. Untersteller: „Es ist ein Innovationstreiber. Die Unternehmen sehen selbst die wachsende Bedeutung.“ Für die Chemie-Branche – Partner der 100-Betriebe-Initiative – ist Innovation selbstverständlich: Bei den ersten 100 Unternehmen sind 13 Chemie-, Pharma- und Lackunternehmen dabei.