agvChemie
agvChemie Standpunkt: Arbeitszeitgesetz und -erfassung – flexibel und im Betrieb umsetzbar
Es ist ein modernes und flexibles Arbeitszeitgesetz notwendig, um den wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen gerecht zu werden. Zeitgleich ist der Wunsch von Beschäftigten nach Flexibilität und Gestaltungsfreiheit in Bezug auf ihre Arbeitszeit so hoch wie nie. Dies fordern auch Bewerber von ihren künftigen Arbeitgebern. Mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetz ist deshalb ein entscheidender Baustein im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Der Gesetzgeber - in Deutschland, aber auch auf europäischer Ebene - muss daher schnellstmöglich aktiv werden.
Sowohl der europäische Gerichtshof als auch das Bundesarbeitsgericht haben in Ihren Entscheidungen einen großen Gestaltungsspielraum gelassen. Jetzt muss ihn der deutsche und bei Bedarf der europäische Gesetzgeber nutzen, um praxisnah zu handeln.
Die Umstellung von einer täglichen zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit ist ein entscheidender Punkt. Mit dieser Option können die betrieblichen Belange und die persönlichen Umstände von Beschäftigten bei der Arbeitszeit besser berücksichtigt werden. Dadurch entsteht ein höheres Maß an Flexibilität für Arbeitgeber und Beschäftigte. Dies führt zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Eine starre Ruhezeit von 11 Stunden ist bei Mobiler Arbeit und einer eigenverantwortlichen Arbeitszeiteinteilung durch Beschäftigte nicht zeitgemäß und entspricht auch nicht dem Wunsch von Arbeitnehmern. Auch bei der Ausgestaltung der Ruhezeit ist daher die Berücksichtigung von unterschiedlichen Arbeitsformen, betrieblichen Notwendigkeiten und der Wünsche der Arbeitnehmer - kurz gesagt: mehr Flexibilität - erforderlich. Selbstverständlich müssen dabei weiterhin Gesichtspunkte des Arbeitsschutzes umfassend Beachtung finden.
Die Vertrauensarbeitszeit als zentrales Element flexibler Arbeitszeitgestaltung muss erhalten bleiben, um Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein Höchstmaß an Flexibilität zu erlauben.
Hintergrund
Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Beschluss vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21) aus dem Arbeitsschutzgesetz eine Erfassungspflicht der Arbeitszeiten von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber abgeleitet. Da das Arbeitszeitgesetz eine spezialgesetzliche Regelung darstellt, die die Anwendung des Arbeitsschutzgesetzes eigentlich ausschließt und der Gesetzgeber nicht an den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts gebunden ist, bestand die Erwartungshaltung an den Gesetzgeber über die Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes Klarheit und Flexibilität zu schaffen. Der am 18. April 2023 vorgelegte Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ging jedoch in eine andere Richtung und berücksichtigte die Anforderungen der Praxis in unzureichendem Maße (bspw. elektronische taggenaue Arbeitszeiterfassung nur mit unklaren Ausnahmeregelungen). Wann der Gesetzgeber einen erneuten Referentenentwurf vorlegen wird, ist derzeit noch unklar.