Aktiv | Tarifpolitik

Interview mit Tarif-Experte Dieter Freitag: Chemie-Arbeitgeber sehen den Standort Baden-Württemberg in Gefahr

02.01.2015
Baden-Baden. Bis zu 5 Prozent mehr Lohn und eine Drei- oder Vier-Tage-Woche für über 63-Jährige – das fordert die Chemie-Gewerkschaft IG BCE in der aktuellen Tarifrunde. Den Spielraum der Unternehmen skizziert Michelin-Deutschland-Chef Dieter Freitag. Als Verhandlungsführer der Chemie-Arbeitgeber in Baden-Württemberg vertritt er 230 Unternehmen mit etwa 73.000 Beschäftigten.

Ende des Monats verhandeln Sie in Karlsruhe. Wo ist Ihr Limit?

Über Zahlen reden wir erst in den Verhandlungen. Eines ist mir wichtig: Wir stellen hier Produkte her, die weltweit konkurrenzfähig sind – in der Qualität. Beim Preis aber immer öfter nicht mehr! Ständig steigen die Kosten, etwa für Energiezuschläge oder Arbeitskosten. Das erschwert dem personalintensiven Mittelstand das Leben, ja, das Überleben.

Der Wettbewerb stresst?

Der letzte Tarifabschluss war zu hoch. Wir haben einen Aufschwung erwartet, der nicht kam. Die Produktivität war in den letzten Jahren rückläufig. Die Löhne können nicht ständig stärker steigen als die Produktion.

Manche Firmen machen trotzdem gute Gewinne …
… und dort werden die Mitarbeiter daran ja auch beteiligt. Aber der Flächentarifvertrag gilt am Ende für alle, auch jene, denen es nicht gut geht. Fakt ist: Die Inflation liegt unter 1 Prozent, die Produktivität dürfte dieses Jahr bestenfalls stagnieren. Wir haben keinen Verteilungsspielraum. Wer darauf keine Rücksicht nimmt, gefährdet mutwillig den Standort. Das kann doch keiner wollen!

Und die Forderung nach weniger Arbeit für Ältere?

Darüber können wir uns nur wundern! Wir brauchen jeden, immer mehr Mitarbeiter wollen das selbst. Wir verschärfen den Nachwuchsmangel, wenn wir wieder anfangen, Mitarbeiter zu früh aufs Altenteil zu schieben.