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Wirtschaftspressekonferenz 2005:Weiterhin gedämpfte Stimmung in der Chemie

08.04.2005

Stuttgart, 8. April 2005. Die Unternehmen der chemischen Industrie in Baden-Württemberg warten weiter auf einen Aufschwung. Hoffnung gibt es lediglich für das Auslandsgeschäft. Die Branche rechnet überwiegend mit einem Stellenabbau.

 

Konjunkturprognose 2005

Nur jedes vierte Chemie-Unternehmen im Land beurteilt den Konjunkturverlauf in diesem Jahr optimistisch. Die meisten Unternehmen gehen von einer unveränderten oder schlechteren Entwicklung aus. Skeptisch zeigt sich die Branche insbesondere bei den erwarteten Erträgen und Investitionen. Die Prognosen sind hier bei rund 30 Prozent der Unternehmen negativ. Die chemische Industrie rechnet für das Jahr 2005 mit einem Personalabbau. Nur 15 Prozent der Betriebe gehen von höheren Beschäftigtenzahlen aus.

 

Der größte Risikofaktor für die wirtschaftliche Entwicklung der Chemie- Unternehmen sind die hohen Rohstoffkosten. Dies gilt vor allem für die kleineren Unternehmen und für die Unternehmen aus den Bereichen Lacke und Farben sowie Kunststoffverarbeitung. Als zweitgrößter Risikofaktor werden die politischen Rahmenbedingungen genannt. Insgesamt erwartet die chemische Industrie Baden-Württembergs für das Jahr 2005 lediglich Stagnation.

 

Wirtschaftliche Entwicklung 2004

Der Umsatz der Chemie-Unternehmen in Baden-Württemberg ist 2004 um 3,4 Prozent auf 14,4 Mrd. Euro gefallen. Der Auslandsumsatz stieg dagegen um 3,3 Prozent auf 7,5 Mrd. Euro. Die Zahl der Beschäftigten verringerte sich um 0,5 Prozent. Der Umsatzrückgang in der Chemie-Branche wurde insbesondere durch das negative Inlandsgeschäft der Pharma-Sparte beeinflusst.

 

Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

Besonders eisiger Wind bläst der chemischen Industrie von der EU-Gesetzgebung entgegen. Nach Angaben von Alexander Dehio, Vorsitzender des Landesverbandes der Chemischen Industrie sind auf europäischer Ebene Vorhaben geplant, die sich ganz gezielt gegen die Chemie-Unternehmen richten.

 

Dazu zählt für Dehio vor allem die geplante Neuordnung der EU-Chemikalienpolitik (REACH). Hierbei handelt es sich um eines der größten und kompliziertesten Regelungsvorhaben der EU überhaupt. Die so genannte "REACH-Verordnung" soll künftig die Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien in den 25 Mitgliedsstaaten regeln. Die Ziele von REACH werden von der chemischen Industrie unterstützt. Die Auswirkungen auf die europäische, insbesondere die deutsche chemische Industrie, werden aber immens sein, da die vorgesehenen Regelungen unnötig komplex und viel zu bürokratisch sind. Vor allem der Mittelstand kann die Vorgaben in keinem vernünftigen zeitlichen, personellen und finanziellen Rahmen bewältigen. Deshalb wird es darauf ankommen, ob es gelingt, REACH deutlich kostengünstiger, weniger bürokratisch und praktikabler zu machen.

 

 

Kernpunkt der Kritik am REACH-Vorschlag ist laut Dehio das Registrierungsverfahren. Hier setzt die EU-Kommission generell auf ein mengen- anstatt auf ein risikoabhängiges System. Durch diese rein technokratische Einteilung werden Informationen und Untersuchungen verlangt, die für die sichere Verwendung vieler Substanzen gar nicht erforderlich sind. Nach Berechnung der Chemie-Verbände betragen die Kosten für eine Registrierung durchschnittlich zwischen 240.000 und 350.000 Euro pro Stoff.

 

In einer Ende 2004 durchgeführten Studie der baden-württembergischen Landesregierung wurde der erhebliche bürokratische und finanzielle Aufwand für die Unternehmen bestätigt. Außerdem kam diese Studie zu dem Ergebnis, dass neben der chemischen Industrie auch auf die Automobil-, Bau- und Elektronik-Industrie sowie auf fast alle konsumnahen Bereiche deutliche Wettbewerbs- und Innovationsprobleme zukommen. Die chemische Industrie hat inzwischen einen Vorschlag für ein besseres REACH-System vorgelegt. Nach diesem Konzept sollen unter anderem der Mittelstand weniger stark belastet werden und zugleich wichtige Informationen über die Umwelt- und Gesundheitsaspekte in noch kürzerer Zeit zur Verfügung stehen.

 

Chemie-Tarifrunde 2005

"Das tarifpolitische Ziel 2005 heißt Stabilität", so Rüdiger Dollhopf, Vorsitzender der baden-württembergischen Chemie-Arbeitgeber, zur anstehenden Chemie-Tarifrunde. Dollhopf forderte eine moderate und kalkulierbare Entwicklung bei den Arbeitskosten und verwies insbesondere auf die gespaltene Chemie-Konjunktur. Hier stehen positive Zahlen von international operierenden Unternehmen im Gegensatz zu den immer größeren Schwierigkeiten des Mittelstandes. Auch innerhalb der einzelnen Chemiesparten ergaben sich unterschiedliche Entwicklungen. Die Kunststoffproduzenten und die Hersteller von Basischemikalien konnten ihre Umsätze steigern.

Hier gelang es insbesondere den größeren Unternehmen, die gestiegenen Rohstoffkosten über die Preise weiter zu geben. Im konsumnahen Bereich war dies dagegen praktisch nicht möglich. Nach vier Jahren mit Umsatzrückgängen ist für die Chemie-Unternehmen in Baden-Württemberg ein nachhaltiger Aufschwung nicht in Sicht. Der jährlich wiederkehrende Zweckoptimismus der Gewerkschaften ist laut Dollhopf deshalb auch 2005 nicht angebracht.

 

Ausbildung

Die Chemie-Unternehmen in Baden-Württemberg haben ihr Ausbildungsplatzangebot im vergangenen Jahr um 4,4 Prozent von 949 auf 991 Stellen gesteigert. Insgesamt bildet die chemische Industrie im Land fast 3.000 junge Menschen aus. In den letzten zehn Jahren wurde das Ausbildungsplatzangebot um mehr als ein Drittel erhöht. Mit der Steigerung des Ausbildungsplatzangebotes um 4,4 Prozent liegt Baden-Württemberg über dem Bundesdurchschnitt der chemischen Industrie (plus 4,0 Prozent). Die Vorgabe aus dem Chemie-Tarifvertrag "Zukunft durch Ausbildung" wurde damit deutlich übererfüllt.