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Umsätze der Chemieunternehmen sinken / Kostenexplosion bei Energie existenzbedrohend

Halbjahresbilanz der Chemie- und Pharmaindustrie in Baden-Württemberg

18.08.2022

Baden-Baden, 18. August 2022. Die Umsätze der Chemie- und Pharmaunternehmen in Baden-Württemberg sind im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um ein Prozent gesunken (13,2 Milliarden Euro). Das teilten Chemie.BW, die Verbände der Chemie- und Pharmaindustrie in Baden-Württemberg, am Donnerstag in Baden-Baden in ihrer Online-Medienkonferenz mit. Die Unternehmen sehen die wirtschaftlichen Aussichten für das gesamte Jahr 2022 inzwischen deutlich negativer. Noch zum Jahresbeginn gingen die Unternehmen von einem moderaten Wachstum bei Produktion und Umsatz aus.

Blitzumfrage zu Konjunkturaussichten

In einer Blitzumfrage (repräsentativ für die Verbandsstruktur) gaben Mitgliedsunternehmen der Verbände an, dass die Situation sich deutlich geändert habe. Prof. Dr. Winfried Golla, Hauptgeschäftsführer des VCI Baden-Württemberg, erläuterte, dass die Mehrheit der Unternehmen den weiteren Verlauf des Jahres pessimistisch sieht: „Zwei Drittel erwarten, dass es jetzt noch schwieriger wird.“ Explodierende Energiekosten machten die Wettbewerbssituation tatsächlich bedrohlich. Die geplanten Kürzungen im Gesundheitsbereich schwächten die Pharmaindustrie zusätzlich.

Die Branche ist existenziell auf den Bezug von Erdgas angewiesen – als Energieträger und Rohstoff. Für Björn Sucher, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Chemie Baden-Württemberg e.V., ist deshalb klar: „Die sozialen Kosten für ein Abschalten der Industrie wären extrem hoch. Die wirtschaftlichen, und die wirtschaftspolitischen Folgen wären aus unserer Sicht katastrophal und endgültig: Schließung von Betrieben, Abwanderung von Produktionen und ganzen Unternehmen. Damit würden sehr gut bezahlte Arbeitsplätze und wichtige Ausbildungsstellen verloren gehen.“

Beschäftigung und Teilbranchen

Bislang hat die Chemie- und Pharmabranche auch im ersten Halbjahr 2022 noch Beschäftigung aufgebaut: Um 2,5 Prozent wuchs die Zahl der Mitarbeitenden nach den Angaben des Statistischen Landesamtes. Die Auslandsumsätze gingen allerdings um 1,7 Prozent zurück, die Inlandsumsätze stagnierten nahezu (+0,1 Prozent). Die größte Teilbranche Pharma konnte in Summe Nachholeffekte aufgrund der Corona-Pandemie verbuchen (Umsatz +7,2 Prozent). Das gilt auch für die zweitgrößte Teilbranche Farben und Lacke (Umsatz +4,7 Prozent).

Die Einbrüche in den anderen Teilbranchen konnte das nicht auffangen. Die Unternehmen haben aufgrund ihrer mittelständischen Struktur derzeit kaum Möglichkeiten, beispielsweise die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten an Kunden weiterzugeben.

Folgen des Eintritts einer Gasmangellage

Bei einer echten Abschaltung von Gaslieferungen fürchten knapp 60 Prozent der Unternehmen ihre Produktion drosseln zu müssen. 30 Prozent erwarten ohne Erdgas einen kompletten Produktionsstillstand. Als Folge davon befürchten 21 Prozent eine teilweise Produktionsverlagerung ins Ausland und 7 Prozent eine Standortschließung in Baden-Württemberg. Kurzarbeit wäre bei 46 Prozent der Unternehmen, Entlassungen bei 24 Prozent die Folge.

Umstieg auf andere Energiequellen teilweise erschwert

Auch um diese Folgen abzuwenden, beschäftigen sich die Unternehmen mit kurzfristig verfügbaren Ausweichmöglichkeiten – mehr als 35 Prozent planen einen Umstieg auf Erdöl oder andere fossile Energiequellen oder haben ihn bereits umgesetzt. Allerdings geben weitere 12 Prozent der Unternehmen an, derzeit an bürokratischen oder genehmigungsrechtlichen Hürden zu scheitern.

Medienkonferenz Chemie.BW zur Halbjahresbilanz 2022 / Baden-Baden