Tarifpolitik | Presse

Klaus-Peter Stiller: Der neue Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie im Interview

17.07.2014

Auf Wolfgang Goos folgt Klaus-Peter Stiller. Der Jurist wurde am 27. Dezember 1958 in Münster geboren und war bislang Geschäftsführer Tarifpolitik und Arbeitsrecht des <link http: www.bavc.de>BAVC. Er arbeitet seit 2011 für den Dachverband der Chemie-Arbeitgeber. In seiner beruflichen Laufbahn hat er bereits umfangreiche tarif- und personalpolitische Erfahrung gesammelt: in Leitungsfunktionen beim AXA-Konzern, der Deutschen Telekom und T-Mobile. Er startete seine Karriere bei der Hoechst AG als Vorstandsassistent des damaligen Arbeitsdirektors und BAVC-Präsidenten Justus Mische. Zusätzlich zu seinen Aufgaben als Hauptgeschäftsführer wird Stiller auch weiterhin den Bereich Tarifpolitik und Arbeitsrecht leiten.

Dr. Stiller, was ist für Sie „Chemie“?

Stiller: Chemie ist für mich die Kunst, aus unterschiedlichen Stoffen neue Verbindungen herzustellen, die einen Mehrwert erzeugen. Das gilt in erster Linie für die innovativen Produkte und Dienstleistungen, mit denen unsere Branche und alle dort Beschäftigten ihr Geld verdienen. Das gilt aber genauso für die Chemie-Tarifpolitik: Auch hier sind es unterschiedliche Interessen, aus denen wir gemeinsam mit unserem Sozialpartner neue Verbindungen herstellen, die Unternehmen und Beschäftigten weiterhelfen.

Sie haben Jura studiert, waren Personalchef und sind jetzt Verbandsmanager. Wie kommen Sie mit den Besonderheiten „der Chemie“ klar?

Stiller: Mit dem besonderen Selbstverständnis der Chemie bin ich seit Beginn meiner Karriere bestens vertraut. Anfang der 1990er Jahre, als Assistent des damaligen Arbeitsdirektors der Hoechst AG, Justus Mische, der zugleich Präsident des BAVC war, konnte ich die Branche intensiv kennen und schätzen lernen. Bei meinen Stationen in der Telekommunikations- und der Versicherungsbranche habe ich die Chemie weiter mit großem Respekt und mit großem Interesse verfolgt. In den letzten drei Jahren als Geschäftsführer Tarifpolitik der Chemie-Arbeitgeber hat sich mein Eindruck bestätigt: Die Besonderheiten der Chemie wie Innovationskraft, Internationalität und Wettbewerbsfähigkeit sind elementare Voraussetzungen und zugleich Ergebnisse unserer erfolgreichen Sozialpartnerschaft.

Ist für Sie die Sozialpartnerschaft, die ja ihren Ursprung in der chemischen Industrie hat, ausbau- und zukunftsfähig?

Stiller: Ja! Damit die Chemie-Sozialpartnerschaft zukunftsfähig bleibt, müssen wir uns ständig weiterentwickeln, so wie wir es in den letzten vier Jahrzehnten gemacht haben. Wir müssen für neue Herausforderungen neue Lösungen entwickeln; zugleich sollten wir die starke Vertrauensbasis von IG BCE und Chemie-Arbeitgebern weiter festigen. Genauso wichtig ist übrigens, vorhandene Gegensätze zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht zu übertünchen. Natürlich gibt es Interessengegensätze und damit auch Konflikte. Unsere Sozialpartnerschaft ist der beste Weg, diese Konflikte zu lösen.

Der BAVC ist ein Verband der Verbände. Der unmittelbare Kontakt zu den Unternehmen besteht da für Sie und die Kollegen in Wiesbaden nicht. Wie schaffen Sie es, dennoch Tarifpolitik für die Unternehmen zu machen?

Stiller: Indem unsere Mitglieder, die zehn regionalen Verbände, sich aktiv in der Meinungsbildung engagieren, indem wir uns intern offen über den richtigen Kurs auseinandersetzen und dann geschlossen nach außen agieren. Deshalb ist es so wichtig, dass die Unternehmen sich in den Gremien einbringen und aktiv mitwirken – auf Ebene der Mitgliedsverbände wie auch auf Ebene des BAVC. Baden-Württemberg ist hier ein sehr gutes Beispiel: Wir streiten gemeinsam und wir vertreten unsere Kompromisse gemeinsam.

Die meisten Chemie-Unternehmen sind Mittelständler. Allerdings können sie bei Umsatz und Beschäftigtenzahl mit den Branchengrößen nicht mithalten. Wie wird die Tarif- und Sozialpolitik der Zukunft aussehen, damit alle Unternehmen der Chemie-Arbeitgeberverbände zufrieden sind?

Stiller: Die vollständige Zufriedenheit aller Mitglieder wird ein Arbeitgeberverband nicht erreichen können; schließlich führt seine Arbeit regelmäßig zu einer Anhebung der Arbeitskosten im Unternehmen. Entscheidend ist, dass unsere tarifpolitischen Kompromisse der Realität in den Betrieben gerecht werden. Und diese Realität ist ausgesprochen heterogen: Es  gibt erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen, aber auch zwischen Teilbereichen der Branche oder zwischen großen und kleinen Unternehmen – und zwar in alle Richtungen. Die Geschlossenheit der Chemie-Arbeitgeber zu erreichen, ist deshalb eine der zentralen Aufgaben des BAVC. Nur geschlossen können wir erfolgreich mit der IG BCE verhandeln und nur geschlossen können wir gegenüber der Politik unsere sozialpolitischen Interessen effektiv vertreten.

Was sind für Sie in den ersten Monaten die wichtigsten Aufgaben als BAVC-Hauptgeschäftsführer?

Stiller: An erster Stelle steht die Vorbereitung der Chemie-Tarifrunde 2015, in deren Rahmen wir nicht nur über Geld, sondern auch über den Demografie-Tarifvertrag sprechen werden. Die Verhandlungen  beginnen zwar erst Ende Januar 2015, aber wir müssen uns schon jetzt  intensiv vorbereiten. Darüber hinaus möchte ich mit unseren Mitgliedern diskutieren, wie wir die Interessen der Chemie-Arbeitgeber bei sozialpolitischen Themen wie Rente, Mindestlohn oder Zeitarbeit noch effektiver vertreten können. In Brüssel ist der BAVC mit einem schlagkräftigen Büro gut aufgestellt. Wir sollten prüfen, ob und unter welchen Bedingungen wir auch in eine Berliner Repräsentanz investieren wollen. Die Politik der großen Koalition zeigt wie unter einem Brennglas, wie wichtig es ist, auch in Berlin präsent zu sein. Eine weitere Veränderung steht im Bereich Kommunikation auf der Tagesordnung: Wir werden die BAVC-Verbandsmedien auf eine Publikation konzentrieren und den Anteil der digitalen Verbreitung ausbauen. Starttermin ist August 2014.

Wo bauen Sie da besonders auf die Unterstützung oder konstruktive Begleitung durch die Mitgliedsverbände?

Stiller: Die Neuausrichtung unserer Kommunikation haben wir bereits intensiv mit den Mitgliedern diskutiert und abgestimmt. Ich setze bei allen künftigen Fragen und Herausforderungen darauf, dass Unternehmen und Mitgliedsverbände eine Überzeugung teilen: Ein starker BAVC nützt den Chemie-Arbeitgebern insgesamt. Mit dieser Richtschnur können wir die Interessen der Mitglieder bestmöglich vertreten – gegenüber Gewerkschaften, Politik und Öffentlichkeit.

Die Mitgliedsunternehmen im agvChemie wollen natürlich eines auf jeden Fall vom neuen BAVC-HGF wissen: wie niedrig wird der nächste Tarif-Abschluss?

Stiller: So niedrig, wie es die Lage der Branche erfordert – und genauso hoch. Es ist nur natürlich, dass die Unternehmen sich am unteren Rand der Erwartungen orientieren; die IG BCE geht von der anderen Seite an eine Tarifrunde heran. Am Ende wird ein Kompromiss stehen, der beiden Seiten einiges abverlangt, aber die Branche insgesamt voran bringt.