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Interview mit dem Hauptgeschäftsführer des baden-württembergischen Chemie-Arbeitgeberverbandes
Baden-Baden, 29. Januar 2011. Die chemische Industrie in Baden-Württemberg leidet immer noch unter den Folgen der Konjunkturkrise. „Das Vorkrisenniveau haben wir noch nicht erreicht“, so der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Chemie Baden-Württemberg e.V. (agvChemie), Thomas Mayer, im Interview mit der Wirtschaftszeitung AKTIV (Köln) in deren jüngster Ausgabe.
„Eine Tariferhöhung darf nicht über das Niveau ansteigen, das auch die kleineren und schwächeren Betriebe dauerhaft erwirtschaften können“, so Mayer weiter.
Das Interview ist im Folgenden im Wortlaut dokumentiert:
„Deutlich unter Bundesniveau“
Trotz besserer Konjunktur hat die Chemie in Baden-Württemberg zu kämpfen
Baden-Baden. Die Krise ist überstanden, Deutschland atmet auf. Warum die Chemie aber immer noch nicht rundläuft erklärt Thomas Mayer, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Chemie Baden-Württemberg.
AKTIV: Herr Mayer, was macht der XXL-Aufschwung in der Chemie in Baden-Württemberg?
Mayer: Den haben wir nicht. Natürlich geht es unseren Unternehmen besser als in der Krise. Jeder Zuwachs ist erst einmal ein Aufholen dessen, was verloren ging. Das Vorkrisenniveau haben wir nach wie vor nicht erreicht.
AKTIV: Hat das einen besonderen Grund?
Mayer: Insbesondere die Pharma-Industrie hat im vergangenen Jahr deutliche Rückschläge hinnehmen müssen. Der Umsatz ist um mehr als 6 Prozent abgesackt, im Inland sogar um über 9 Prozent. Und weil der Pharma-Anteil bei etwa 40 Prozent liegt, leidet die gesamte Branche in unserem Land darunter. Der Chemie-Umsatz ist mit 3 bis 4 Prozent deutlich unter dem Bundesniveau angestiegen.
AKTIV: Andere Sparten – und die gesamte Chemie – haben zugelegt. Warum Arzneimittel-Hersteller nicht?
Mayer: Ursachen sind die „alten“ und die neuen Gesundheitsreformen im Jahr 2010. Die Pharma-Unternehmen werden im Gesundheitswesen einseitig belastet.
Nehmen Sie nur die Zwangsrabatte – die sind erhöht und ausgeweitet worden. Das schlägt direkt auf die Umsätze und Erträge der Firmen durch und das bei immensen Forschungsaufwendungen.
AKTIV: Wie sieht das für die Arbeitsplätze aus?
Mayer: Im gesamten Krisenverlauf haben die Arbeitgeber ihre Stammbelegschaften überwiegend gehalten.
Mit einer Entlastung bei den Lohnkosten können die Betriebe nicht rechnen. Damit die Beschäftigung in diesem Jahr weiter stabil bleibt, brauchen wir ein nachhaltiges Wachstum, das uns wieder über das Vorkrisenniveau bringt.
AKTIV: Wie muss dann der Tarifabschluss aussehen?
Mayer: Eine Tariferhöhung kann berücksichtigen, dass die Arbeitnehmer einen Beitrag zur Krisenbewältigung geleistet haben.
Aber sie darf nicht über das Niveau ansteigen, das auch die kleineren und schwächeren Betriebe dauerhaft erwirtschaften können.
Interview: Sabine Latorre
Quelle: Wirtschaftszeitung AKTIV, Ausgabe 2-2011, Chemie in Baden-Württemberg, Seite 8
Hintergrund
Zu den regionalen Tarifverhandlungen 2011:
Die Tarifverhandlungen für die chemische Industrie in Baden-Württemberg beginnen am 21. Februar 2011 in Karlsruhe.
Zum agvChemie:
Derzeit gehören 238 Unternehmen dem Arbeitgeberverband Chemie Baden-Württemberg e.V. an. Sie beschäftigen etwa 68.000 Arbeitnehmer.