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Diskussion zur Gemeinschaftsschule im Arbeitskreis Schule / Wirtschaft Baden-Baden/Rastatt: Starke Meinungen zu wichtigem Zukunftsthema

24.10.2012

Baden-Baden, 24. Oktober 2012. Der Anspruch „Vielfalt macht schlauer“ ist das Motto, unter den das Kultusministerium Baden-Württemberg die Einführung der Gemeinschaftsschule im Land gestellt hat. Auf Einladung des Arbeitskreises Schule / Wirtschaft Baden-Baden/Rastatt stellte Norbert Zeller, Leiter der Stabsstelle für das Projekt im Kultusministerium, die Idee, die Ziele und die genauen Pläne vor. Etwa fünfzig Zuhörer kamen ins Haus der Chemie-Verbände und diskutierten engagiert mit den Referenten aus Schulverwaltung, Schulpraxis und Wirtschaft.

Für Norbert Zeller ist die Gemeinschaftsschule der richtige Weg, Schüler individueller zu fördern und gerade in der Fläche auch kleinere Schulstandorte zu erhalten. Das längere gemeinsame Lernen bringe viele Vorteile für die Schüler – und für ihre Entwicklung auch und besonders im sozialen Bereich.

Mit der Einführung der Gemeinschaftsschule wird auch ein gemeinsamer Bildungsplan für alle Schularten – voraussichtlich ab 2015/2016 – erarbeitet. Damit soll, so Zeller, die Durchlässigkeit des Schulsystems gewährleistet werden. Seit Beginn des neuen Schuljahres erweitern die ersten 42 Gemeinschaftschulen das Schulspektrum in Baden-Württemberg. Sie sind zwingend Ganztagesschulen und sollen mit einem Netzwerk von Partnern ihren Schülern ein umfassendes Angebot bieten.

Beispielhaft stellte Karsten Ex, Schulleiter der Gemeinschaftsschule Oberhausen-Rheinhausen, die Umsetzung der Vorgaben des Plans vor. Er erläuterte aus der Praxis, wo gerade die Kooperation mit der Wirtschaft für die Schüler eine große Chance ist. Die Gemeinschaftsschule Oberhausen-Rheinhausen soll ein starkes naturwissenschaftliches Profil erhalten.

Seine Kolleginnen, Marion Zimmer und Michaela Flamm, erläuterten praktische Herausforderungen und Problemlösungen, beispielsweise bei der Einrichtung von Lernateliers und dem Einsatz von Lehrerteams.

Stefan Küpper, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Schule / Wirtschaft Baden-Württemberg und Geschäftsführer Bildung bei der Landesvereinigung der baden-württembergischen Arbeitgeberverbände, stellte die Position der Wirtschaft als grundsätzlich aufgeschlossen dar. Die Schullandschaft in Baden-Württemberg müsse aktiv weiterentwickelt werden – aber dabei dürfe man nicht die wichtigen Ziele aus den Augen verlieren. Diese sind für die Arbeitgeber überzeugende pädagogische Konzepte und eine hohe Qualität der Schulausbildung.

Für den Erfolg der Gemeinschaftsschule müssten daher, so Küpper, die Rahmenbedingungen stimmen. Nur mit einer dauerhaften Finanzierung, einer sinnvollen Lehrerfortbildung und – besonders wichtig – einer festen Integration von Berufsorientierung könne dieses Projekt gelingen. Über Erfolg oder auch Misserfolg der Schule entscheide aus Sicht der Wirtschaft, ob der Übergang ins Berufsleben verbessert werden kann. Hier spiele, so Küpper, die Ausbildungsreife eine große Rolle.

Dr. Tobias Pacher vom Arbeitgeberverband Chemie unterstrich, dass die Umstrukturierungen in der Schullandschaft auf keinen Fall zu Lasten der erreichten Stärkung der Naturwissenschaften gehen dürften. Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Berufe seien entscheidend für den Erfolg der Industrienation Deutschland – und da müsse ein solides naturwissenschaftliches Bildungsfundament in jeder Schulart gelegt werden.

Die Diskussion machte deutlich, dass die Gemeinschaftsschule gerade bei Lehrerinnen und Lehrern auch auf Vorbehalte stößt. Dem geplanten „Zwei-Säulen-Modell“ der Schulbildung, in dem das Gymnasium mit Abitur neben der  Gemeinschaftsschule mit allen Abschlüssen steht, fehle die Akzeptanz der Eltern, wurde bemängelt. Dass eine Umstellung der Lehrinhalte und –abläufe in den Schulen notwendig sei, wurde anerkannt. Dies sei, so die Lehrerinnen der Oberhausener Schule, bei ihnen gut gelungen.

Deutlich wurde auch, dass in der Lehrerschaft eine klare Abneigung gegen schnelle Richtungswechsel vorhanden sei: hier wird die Hoffnung gehegt, dass die Gemeinschaftsschule ein langfristiger Entwurf ist. Diese Überzeugung vertrat Norbert Zeller. Er glaubt, dass die wissenschaftliche Begleitung und die sichtbaren Ergebnisse in Zukunft für sich sprächen. Eine schnelle Abkehr vom Gymnasium sieht Stefan Küpper nicht: auch die mittleren Bildungsabschlüsse seien gerade für die Wirtschaft notwendig. Man müsse sich hier aber auch in den Unternehmen sicherlich umstellen und einstellen auf die neuen Gegebenheiten, so sein Fazit.

Zum <link>Arbeitskreis Schule / Wirtschaft Baden-Baden/Rastatt

Der Arbeitskreis lädt etwa acht- bis zehnmal im Jahr Pädagogen und Wirtschaftsvertreter zum Erfahrungsaustausch ein. Einen Nachmittag lang werden dann Wirtschafts- oder Bildungseinrichtungen vor Ort besichtigt – und engagiert diskutiert. Ziel des inzwischen mehr als zwanzig Jahre bestehenden Arbeitskreises im Stadtkreis Baden-Baden und im Landkreis Rastatt ist, Schule und Wirtschaft zum Nutzen der Schülerinnen und Schüler näher zusammenzubringen.

Die Geschäftsführung des Arbeitskreises wird vom Arbeitgeberverband Chemie Baden-Württemberg e.V., wahrgenommen. Geleitet wird der Arbeitskreis von einem vierköpfigen Leitungsteam, bestehend aus Gerold Wendelgaß, Josef-Durler-Schule, Rastatt, Franz Veith, Staatliches Schulamt, Rastatt, Dr. Tobias Pacher und Ralf Müller, beide Arbeitgeberverband Chemie.