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Chemische Industrie und Corona in Baden-Württemberg: Eine Branche zwischen Stabilität und Krise, Innovation und Veränderung

14.05.2020

Baden-Baden, 14. Mai 2020. Die chemische und pharmazeutische Industrie in Baden-Württemberg kann sich in der Corona-Krise teils behaupten, teilweise muss sie leiden. Das erläuterte Thomas Mayer, Hauptgeschäftsführer von Chemie.BW, den Verbänden der Chemie- und Pharma-Branche im Land, in Baden-Baden. „Wir haben derzeit einen Stand von etwa fünfzehn Prozent Kurzarbeit“, so Mayer. Insgesamt sind in Baden-Württemberg mehr als 470 Unternehmen mit mehr als 110.000 Beschäftigten in den Verbänden vertreten. Davon sind etwa 35 Prozent Arzneimittelhersteller. Diese können ihre Planungen weitgehend halten.

Unterm Strich muss aber die Gesamtbranche große Abstriche gegenüber ihrer verhalten optimistischen Prognose vom Jahresbeginn machen: „Wir erleben derzeit ein Durchschlagen der Krise aus anderen Bereichen wie beispielsweise dem Fahrzeug- und Maschinenbau,“ sagte Mayer. Die Zulieferindustrie muss mit einem Rückgang von mindestens zehn Prozent rechnen.

Pharma: Kaum Engpässe durch Pandemie

Die Pharmaindustrie im Land ist derzeit kaum von der Krise betroffen: Durch Sondereffekte wie der Medikamenten-Bevorratung haben einzelne Unternehmen sogar Produktionszuwächse verzeichnen können. In einigen Fällen kam es zu Lieferengpässen bei Wirkstoffen und Schutzausrüstungen.

Die Kurzarbeit betrifft vielfach die in Baden-Württemberg ansässigen Zulieferbetriebe für die Maschinenbau- und Fahrzeugindustrie. Dabei sind Lackhersteller genauso von Lieferstopps betroffen wie Kunststoffhersteller und -verarbeiter sowie die kautschukverarbeitenden Betriebe. Etwa dreißig Prozent der Unternehmen der Chemie-Branche sind mittel- oder unmittelbar Zulieferer des Fahrzeugbaus.

Chemieunternehmen helfen unbürokratisch, wo es geht

Etliche Unternehmen aus der Branche in Baden-Württemberg haben inzwischen auf die geänderten Anforderungen gerade im Gesundheitswesen reagiert. So wurden Produktionen umgestellt, um Desinfektionsmittel herzustellen, Klebebänder für Abstandsmarkierungen vermehrt produziert und diese Erzeugnisse teilweise kostenfrei an Krankenhäuser abgegeben.

„Die Epidemie stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen,“ so Mayer. „Management und Beschäftigte haben sie aber mit Bravour bewältigt, beispielsweise auch mit Sonderschichten oder flexiblen Umstellungen von Arbeitszeit, Freizeit und Urlaub.“ 

Normalbetrieb wiederherstellen

Mayer hofft auf eine Erholung. Dazu gehöre allerdings zwingend, dass die Politik schnellstmöglich den Normalbetrieb für die Wirtschaft wiederherstelle. „Wir sind Innovationsmotor für andere Branchen. Unsere Produkte helfen, Lösungen für Probleme nicht nur in der Krise zu finden.“ Die Unternehmen müssten jetzt durch richtige Rahmenbedingungen dazu in die Lage versetzt werden: Beispielsweise könnte einerseits die öffentliche Infrastruktur wieder anlaufen – andererseits müssten Regulierungen mit Augenmaß umgesetzt werden. Das gelte beispielsweise bei der Verlängerung von verschiedenen gesetzlichen Fristen für besonders betroffene Betriebe.

Einschränkungen müssen aufgehoben werden

Keine Einschränkungen dürfe es beim freien Warenverkehr geben. Die Lieferketten sind für die globale Wirtschaft unverzichtbar – und sie müssen reibungsarm funktionieren. Dies gilt auch für den Grenzübertritt der Bürger, denn Freizügigkeit ist ein Grundrecht.

Für Mayer gilt jetzt, dass die unternehmerische Freiheit wiederhergestellt werden muss. Positive Impulse wie eine verstärkte Digitalisierung und mehr Nachhaltigkeit bei Materialien, Stoffen und Prozessen könnten so besser umgesetzt werden. Neue Zwangsmaßnahmen wären kontraproduktiv – wie beispielsweise Ideen für ein Recht auf Homeoffice.