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Zum Stand der Gesundheitsversorgung: Fünf Fragen an die Apothekerin Tatjana Zambo

Die Präsidentin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg warnt vor dem "Kaputtsparen" des Gesundheitssystems

01.12.2022

Tatjana Zambo ist Präsidentin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg e.V. und Inhaberin von zwei Apotheken in Gaggenau.

Frau Zambo, sehen Sie die Gesundheitsversorgung in Deutschland durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz gefährdet?

Die Einhaltung des Versprechens, keine Leistungskürzungen vorzunehmen, begrüßen wir ausdrücklich. Aber: Die radikalen, zusätzlichen Sparmaßnahmen, die vor allem den Arzneimittelbereich betreffen, werden sich auf das Versorgungsniveau auswirken. Wir befürchten, dass sich unter dem Preisdruck noch mehr Hersteller vom deutschen Markt zurückziehen. Und wir befürchten auch negative Folgen für die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch Apotheken.

Inwieweit sind auch die Apotheken von den aktuellen Sparmaßnahmen der Regierung betroffen?

Für die Apotheken sieht das Gesetz vor, dass der gemäß Arzneimittelpreisverordnung zu entrichtende Apothekenabschlag pro Packung um 13 Prozent auf 2,00 Euro angehoben wird. In der Summe erwartet der Gesetzgeber hieraus ein Einsparpotenzial von rund 150 Millionen Euro. Bei einem GKV-Defizit von etwa 17 Milliarden Euro ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Für uns Apothekerinnen und Apotheker aber geht dieser Betrag an die Substanz. Ich befürchte, dass hier viele, vor allem kleinere Apotheken, in Schieflage geraten.

Mit welchen Einschnitten müssen Patienten in Zukunft rechnen?

Die geplante Anhebung der Beitragssätze zur Krankenversicherung werden Versicherte und auch die Arbeitgeber unmittelbar belasten. Was die Arzneimittel angeht: Hier sind die verschreibungspflichtigen Arzneimittel auf Herstellerebene von einem Preismoratorium umfasst. Insofern wird es hier nicht teurer. Bei OTC-Arzneimitteln müssen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher aber auf steigende Preise einstellen, denn sowohl bei Herstellern als auch im Vertriebsweg werden die erhöhten Energiepreise durchschlagen.

Kann die Produktion von Medikamenten in Europa die Qualität der Versorgung nachhaltig verbessern?

Natürlich! Viele wichtiger wäre allerdings, die Wirkstoffproduktion zurück nach Europa zu holen. Hier sind wir fast vollständig von einem funktionierenden globalen Markt abhängig. In der Folge kämpfen wir in den Apotheken seit Jahren tagtäglich mit Lieferengpässen und Nicht-Lieferfähigkeiten. Hier fordern wir seit Langem eine politische Umsteuerung, um aus der Abhängigkeit heraus und zu einer Verlässlichkeit und Versorgungssicherheit zurückzukommen. Das ist natürlich ein besonders dickes, politisches Brett.

Welche Maßnahmen muss die Politik jetzt ergreifen, um den Gesundheitsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken?

Aus der Perspektive der Apotheker betrachtet, ist die erste Forderung, unser hervorragendes, krisenfestes, effizientes und flächendeckendes System der Arzneimittelversorgung nicht kaputt zu sparen. Die Versorgung der Menschen durch Apotheken vor Ort muss im Gegenteil gestärkt werden – strukturell und finanziell. Apotheken sind seit Jahren durch ein starres Honorar von der wirtschaftlichen Entwicklung vollständig abgekoppelt. Eine Dynamisierung unserer Honorierung wäre deshalb ein erster wichtiger und notwendiger Schritt.

Das Interview ist für die Mitgliederzeitschrift von Chemie.BW, "komprimiert", geführt worden.