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Zukunftstrends: In welcher Gesundheitswelt werden wir 2050 leben?
Berlin. Der Arztbesuch, die Diagnose, die Behandlung: Was wird sich in den nächsten Jahren alles ändern? Jede Menge, das steht fest. Was heute zum Beispiel kaum vorstellbar ist: Normale Check-ups zur Gesundheitsvorsorge etwa zum Schutz vor Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes nehmen die Patienten selbst vor. Dank immer mehr digitaler Tests, Sensoren und Daten findet alles zu Hause statt, der Gang zum Arzt wird zur Ausnahme. Und wenn, kommt dieser zum Patienten oder man trifft sich digital in der Mitte.
Das Digitale ist mit der Realität verschmolzen
Gerade im ländlichen Raum setzt sich als Lösung von Ärzte- und Versorgungsmangel Telemedizin durch: Patienten können am Telefon oder online behandelt werden. Rezept und Krankschreibung gibt’s ebenfalls digital.
„Personalisierte Medizin ist längst die neue Realität“, wissen Corinna Mühlhausen und Daniel Dettling. Den Durchschnittspatienten gibt es dann nicht mehr. Die beiden Forscher des Frankfurter Zukunftsinstituts haben gerade eine Studie zur „Gesundheitswelt 2049“ erstellt im Auftrag von Roche Pharma. Beispiel Arznei: „Für jeden Einzelnen wird es eine individualisierte, optimierte Medikationsmischung geben in einer Tablette.“
Was erwartet uns noch? Die Lebensqualität wird noch wichtiger als die Lebenserwartung: „Das Investment des Einzelnen in seine Lebensqualität – die Optimierung von Körper, Geist und Seele – wird höher“, prognostizieren die Autoren. Damit wachse auch die Bereitschaft zur Zuzahlung oder Inanspruchnahme von Selbstzahlerleistungen.
Im Jahr 2049 werden wir auch nicht mehr über Digitalisierung sprechen, weil das Digitale längst mit unserer Realität verschmolzen ist: „Künftig unterstützen digitale Werkzeuge wie Assistenzsysteme und Apps die Patienten in ihrer Selbstständigkeit und fördern ihre Autonomie“, so die Wissenschaftler.
Patienten und Erkrankungen ganzheitlich betrachten
Das Gesundheitssystem avanciere zu einem vernetzten System aus neuen Akteuren, zum Beispiel Start-ups und Gesundheitszentren. Die Gesundheitsberufe würden „multiprofessionell und zunehmend weiblich“: Im Jahr 2050 sind mehr als zwei Drittel der Ärzte Frauen.
Zudem wird künftig jede Entscheidung mit Blick auf Nachhaltigkeit getroffen. Man betrachtet die Patienten und ihre Erkrankungen nicht mehr isoliert, sondern als Teil eines Ganzen: Es geht darum, die körperliche, mentale und seelische Gesundheit zu verbessern: „Die Menschen sind endlich bereit, mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen, weil sie wissen, dass schlechte Ernährung, Fettleibigkeit und mangelnde Bewegung zentrale Faktoren für viele Krankheiten und Todesfälle sind“, schlussfolgern die Autoren.
Aber: Wenn die Gesundheitswelt den Bedürfnissen der Bürger, der Beschäftigten und der Umwelt gerecht werden soll, müssten „massive Investitionen in die Aus- und Weiterbildung, in Innovationen und Infrastrukturen“ erfolgen.
Städte planen Gesundheit und Wohlbefinden gleich mit
Auch die Städte wandeln sich in Orte, die Gesundheit und Wohlbefinden aktiv fördern. In der „Healthy City“-Bewegung verpflichten sich schon heute immer mehr Städte, den Aspekt Gesundheit in alle wichtigen politischen Entscheidungsprozesse mit einzubringen.
Wien gilt hier als Vorbild für die Metropolen weltweit: Im Rahmen des Programms wurden bereits Wohnungen von Senioren mit Assistenzsystemen und Sensoren ausgestattet, um beispielsweise Stürze zu identifizieren. Und durch die Vernetzung mit Arztpraxen lassen sich die Ergebnisse des Blutdruckmessens elektronisch zum Arzt weiterleiten.
In Baden-Württemberg gehören Mannheim, Stuttgart und Heidelberg zum Netzwerk der Healthy Cities. Alleine in Heidelberg kümmern sich mehr als 10.000 Mitarbeiter in über 45 Fachkliniken um beste medizinische Versorgung.
Fit im Kopf
Behandeln durch Nervenstimulation – viele Start-ups packen das an. Experten erwarten eine enorme Entwicklung im nächsten Jahrzehnt. Schon heute lindert bioelektronische Medizin Epilepsie und Depression, Magnetstimulation hilft bei der Reha nach einem Schlaganfall. Hirnstimulation mit implantierten Elektroden schenkt Parkinson-Kranken mehr symptomfreie Zeit ohne Zittern und Starre, trotz nachlassender Arzneien. „Der technische Fortschritt ist extrem“, weiß Professor Hans-Christoph Diener, Sprecher der Gesellschaft für Neurologie. „Neueste Steuergeräte messen die Gehirnaktivität und reagieren darauf."
Bei Parkinson bestehen gute Aussichten auf eine ursächliche Behandlung in diesem Jahrzehnt, macht die Parkinson-Gesellschaft den 400.000 Betroffenen Hoffnung. Aktuell laufen klinische Tests von über 30 Wirkstoffen. Es gibt auch eine Smartphone-App, die Bewegungsmuster des Patienten für den Arzt auswertet.
Bei Multipler Sklerose greift unser Immunsystem das ZNS an. Ein „revolutionärer Ansatz“ wird da in Zukunft helfen, berichtet Professor Diener. Eine Impfung mit Boten-RNA soll die Überreaktion des Immunsystems bremsen wie bei einer Allergie-Desensibilisierung. Im Tierversuch gelang Boehringer Ingelheim und Biontech das schon. Bis zum Impfstoff ist der Weg allerdings noch weit. Aktuell befinden sich zehn neue Wirkstoffe für die rund 240.000 Kranken im Kliniktest. Eine neue Arznei kam zuletzt von Roche zusammen mit einer App.
Gegen die Alzheimer-Krankheit wurde jetzt erstmals seit Langem ein neues Medikament zugelassen (in den USA); es soll den Krankheitsverlauf bremsen. Nun keimt Hoffnung auf mehr Erfolge. 15 neue Wirkstoffe sind in finalen Kliniktests, darunter einer von Roche. Eine App von Boehringer Ingelheim hilft, potenzielle Patienten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Hierzulande gibt es etwa 1,1 Millionen Patienten.
Für die bisher unheilbare Chorea Huntington, eine Krankheit des Gehirns, hat Roche eine revolutionäre Arznei entwickelt. Sie legt das verursachende Gen still. Tests an der Uniklinik Ulm lassen auf einen langsameren Verlauf hoffen.
Stabile Zellen
Personalisierte Medizin ist bis 2050 etabliert. Längst sind sogenannte zielgerichtete Substanzen bei der Therapie im Einsatz (Immuntherapeutika). Standardtherapien sind dagegen Schnee von gestern. Denn gerade bei Krebs spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle. Das heißt: Für jede Tumorerkrankung wird eine individuelle Therapie designt.
Die Power des Immunsystems hilft kräftig mit, davon ist Professor Dirk Jäger, Leiter der Abteilung Medizinische Onkologie am Universitätsklinikum Heidelberg und Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), überzeugt. Künftig wird es gelingen, dass immer mehr Patienten trotz ihrer Krankheit eine gute Lebensqualität erwarten können. Die Vision Zero: keine Toten durch Krebs.
Einige Krebserkrankungen werden schon heute mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren bekämpft. Diese Antikörper wirken nicht gegen Krebszellen direkt, sondern greifen in die Steuerung der Immunantwort gegen Tumoren ein. Als „kleine Revolution in der Onkologie“ bezeichnet Jäger diese Entwicklung. Rund eine halbe Million Menschen erkranken allein in Deutschland jedes Jahr an Krebs, vor 1980 starben mehr als zwei Drittel von ihnen. Heute kann mehr als die Hälfte auf dauerhafte Heilung hoffen, informiert das DKFZ in Heidelberg.
Künstliche Immunzellen gewinnen an Bedeutung: Man entnimmt dem Patienten Immunzellen aus dem Blut, setzt sie im Reagenzglas an und verändert sie genetisch – zum Beispiel durch den Einbau eines künstlichen Rezeptors. Diese modifizierten eigenen Immunzellen gibt man als einmalige Infusion an den Patienten zurück. So lassen sich schon heute bei Leukämie gut 80 Prozent der Fälle bei Kindern und über 50 Prozent bei Erwachsenen heilen.
Pharma-Unternehmen Roche ist hier ganz vorne mit dabei: „Bei einigen Krebserkrankungen, beispielsweise Brust- oder Lungenkrebs, sind personalisierte Arzneimittel, also Medikamente, die sich gezielt gegen einzelne genetische Mutationen richten, bereits etabliert“, erklärt Martin Hager, Medizinischer Leiter im Bereich Personalisierte Medizin bei der Roche in Grenzach. In Zukunft werde „eine hochpräzise, personalisierte Gesundheitsversorgung“ für immer mehr Patienten mit Krebs möglich sein.
Kräftiges Herz, gesunder Kreislauf
Digitale Technik ist die Zukunft der Herzmedizin. „Größten Einfluss auf den medizintechnischen Fortschritt hat die Digitalisierung – gerade in der Behandlung von Herzkrankheiten“, sagt Marc-Pierre Möll, Geschäftsführer des Bundesverbands Medizintechnologie. Schon heute überwacht die Smartwatch den Herzrhythmus, Smartphone plus Messkabel nehmen EKGs auf, Mikrosensoren am Ohr messen den Blutdruck. Die Daten vereinfachen Diagnose und Steuerung der Therapie. Die Forscher von Konzernen und Start-ups dürften in Zukunft noch viele Gesundheits-Gadgets bereitstellen.
Hinzu kommt künstliche Intelligenz (KI). Sie wird Diagnose und Prognosestellung revolutionieren. KI kann schon heute in einem EKG versteckte Muster von Vorhofflimmern erkennen und so Schlaganfällen vorbeugen helfen. Oder sie kombiniert und analysiert die Ergebnisse verschiedener Untersuchungsmethoden. In Kliniken werden die Systeme schon bald Standard sein.
Bei koronarer Herzkrankheit werden Ärzte in Zukunft noch mehr mit dem Katheter eingreifen, um Infarkten vorzubeugen. An verengten Herzkranzgefäßen leiden hierzulande drei Millionen Menschen. Mit dem Ballonkatheter weiten Kardiologen die Engstellen. Sie schieben den Katheter mit einem filigranen Ballon bis zum Engpass und blasen ihn auf. Dann setzen sie ein Drahtröhrchen als Stütze (Stent) ein. Bei sehr verkalkten Engstellen fräst ein Minibohrer die Ablagerungen weg. In schwierigen Fällen legen Chirurgen mit einem Gefäßstück des Kranken einen Bypass um die Engstelle. Deutsche Forscher haben jetzt den Prototyp eines 3-D-Biodruckers entwickelt, der natürliche Gefäße druckt. Im Laborversuch funktioniert das schon. US-Wissenschaftlern gelang das mit einer Herzklappe. In Zukunft, so Experten, dürfte da noch mehr gehen.
Wenn bei Herzinsuffizienz die Pumpleistung des Herzens nachlässt, können Ärzte neuerdings auch eigentlich für Diabetes entwickelte Medikamente einsetzen. Diese verringern das Risiko von Klinikeinweisungen um 30 Prozent. Diese Wirkstoffe (Gliflozine) tragen laut der Gesellschaft für Kardiologie zu einem „Paradigmenwechsel“ bei. Auch Präparate von Boehringer Ingelheim und AstraZeneca zählen dazu. Sie wurden entwickelt, um bei Altersdiabetes die Ausscheidung von Zucker über die Niere zu fördern. An Herzinsuffizienz leiden hierzulande rund zwei Millionen Menschen.
Bei Herzinfarkt-Verdacht ist eine rasche Diagnose wichtig. Ist ein Infarkt Ursache für die Brustschmerzen oder etwas anderes? Der Nachweis eines Eiweißes (Troponin) im Blut hilft dabei. Hochsensitive Tests ermöglichen ihn mit zwei Messungen binnen einer Stunde. Ein neuer Online-Risikokalkulator unterstützt Ärzte jetzt bei der Bewertung der Messdaten.
Funktionierender Stoffwechsel
Ein guter Stoffwechsel hält jung: Er sorgt dafür, dass der Körper die zugeführten Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße und Co. in den Zellen optimal abbaut, umbaut und alles im Organismus rundläuft. Er kann jedoch aus dem Gleichgewicht geraten, was zum Beispiel eine Störung des Fettstoffwechsels mit erhöhten Cholesterinwerten zur Folge hat. Oder Gicht, dann lagern sich die Salze der Harnsäure in den Gelenken ab. Oder eine Fehlfunktion der Schilddrüse – das Organ produziert dann zu viel oder zu wenig Hormone. Und Diabetes.
Obwohl Wissenschaftler intensiv an einer Zukunft ohne Diabetes forschen, bleibt das vorerst ein ferner Traum: Aktuell stehen intelligente Blutzuckersenker, die abhängig vom Blutzucker wirken („schlaue Insuline“) sowie künstliche Bauchspeicheldrüsen – ein intelligentes, selbstlernendes Insulin-Abgabe-System – im Fokus.
Diabetes Typ 1 und 2
Diabetes Typ 1 tritt meist im Kindes- und Jugendalter auf und betrifft rund 5 Prozent aller Erkrankten. Die Bauchspeicheldrüse kann bei dieser Form des Diabetes gar kein Insulin mehr produzieren. Bis 2050 wird man wohl Schulkinder halbjährlich testen, ob sich Diabetes entwickelt. Wenn ja, können immunmodulierende Medikamente den Kindern eine funktionstüchtige Bauchspeicheldrüse bewahren.
Diabetes Typ 2 ist die häufigste Form der Krankheit. 2050 können Medikamente den Ausbruch der Krankheit jahrelang hinauszögern: Dann bleibt der Blutzuckerwert weitgehend normal, und die Spätfolgen (Nierenversagen, Erblinden, Durchblutungsstörungen der Extremitäten) treten nicht auf. Geeignete Medikamente werden individuell passend zum Patienten ausgesucht.
Chronisches Nierenversagen ist heute eine schlimme Folge der Zuckerkrankheit. Aktuell kommen künstliche Nieren (Dialysatoren) zum Einsatz, wie sie zum Beispiel Gambro in Hechingen herstellt.
Starke Knochen und Gelenke
Knorpel und Knochendefekte – die Wiederherstellung funktionsgestörter Zellen, Gewebe und Organe ist 2050 vermutlich kein Wunschdenken mehr. Die Heilung gelingt sowohl durch den biologischen Ersatz, beispielsweise mithilfe gezüchteter Gewebe, wie auch durch die Anregung körpereigener Regenerations- und Reparaturprozesse durch Wachstumsfaktoren. Arthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung weltweit. Heute hat die Medizin eher wenig Mittel, um Gelenke vor dem Verschleiß zu schützen. Doch schon ab 2030 lässt sich Arthrose vielleicht schon im Frühstadium medikamentös aufhalten.
Zerstörte Gelenkknorpel werden durch im Labor gezüchteten Knorpel aus eigenen Zellen eingepflanzt und ersetzt. Mit der Regeneration von Knorpel befasst sich bereits Gelita aus Eberbach: Das Unternehmen stellt unterschiedliche sogenannte bioaktive Kollagenpeptide für funktionelle Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel her. Diese wirken sich unter anderem positiv auf Hautelastizität, Knorpelgewebe, Knochendichte und Bindegewebe aus. „Wir schätzen, dass ungefähr 10 Prozent der bioaktiven Kollagenpeptide während der Verdauung intakt bleiben und zur Stimulierung des Stoffwechsels von Bindegewebszellen zur Verfügung stehen. Die verbleibenden 90 Prozent werden zu Aminosäuren verdaut, die Bausteine für neue Bindegewebsproteine sind“, erklärt Suzane Leser, Spezialistin für Ernährung und Wissenschaft bei Gelita.
Rheumatoide Arthritis: Jeder 100. Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an dieser chronischen Entzündung der Gelenke. Die Ursache für die Erkrankung ist eine Fehlsteuerung der körpereigenen Abwehr: Anstatt zu schützen, wendet sich das Immunsystem plötzlich gegen den eigenen Körper. Es beginnt einen dauerhaften Kampf, in dessen Verlauf körpereigenes Gewebe wie beispielsweise Gelenkknorpel unwiderruflich zerstört wird. In Zukunft könnte gezielte Immunmodulation mit Medikamenten Patienten fast symptomfrei leben lassen. An solchen Therapien arbeiten zum Beispiel die in Baden-Württemberg beheimateten Pharmaunternehmen Roche und Takeda.
Ersatzgelenke aus dem Labor – verschleißen oder brechen Gelenke und Knochen, könnte man sie 2050 vielleicht schon durch künstliche Gelenke oder Glieder ersetzen. Aktuell gibt es kein Material, das dem Knochen in Festigkeit, Elastizität und Dauerhaftigkeit gleicht. Gelenkprothesen sind deshalb weniger lang haltbar und verschleißen schneller. Doch Wissenschaftler arbeiten an passgenauen Prothesen aus dem 3-D-Druck und entwickeln abriebfeste Materialien wie den Hochleistungskunststoff „Peek“ – was die Standzeiten der Implantate enorm verlängert. Solche Werkstoffe entwickelt und verarbeitet zum Beispiel Bada in Bühl.
Und der Spezialchemie-Konzern Evonik, der auch einen Standort in Grenzach-Wylen hat, prüft den Einsatz des Biomaterials für komplexe Gelenkprothesensysteme.
Kluges Immunsystem
Pandemien gefährden die Menschheit auch in Zukunft und werden Pharmaforscher weiter herausfordern. Aktuell arbeiten sie in aller Welt fieberhaft an Corona-Arzneien. Knapp 2.600 klinische Tests laufen. Zwei Wirkstoffe können laut Pharmazieprofessor Manfred Schubert-Zsilavecz von der Uni Frankfurt zu Gamechangern werden: „Sie blockieren Schlüsselenzyme, die das Virus für seine Vermehrung im Körper benötigt.“ Kranke könnten die Mittel ab Diagnose sofort einnehmen. Eines entwickelt der Konzern Pfizer, der in Freiburg ein Werk hat.
Bakterielle Infektionen können zukünftig zu einer großen Bedrohung werden. Immer öfter sind Erreger gegen Antibiotika resistent; weltweit sterben daran jährlich 700.000 Menschen. 20 Pharmakonzerne stellen in den nächsten zehn Jahren 1 Milliarde Dollar für Forschungsfirmen bereit, um schlagkräftigere Antibiotika zu ermöglichen. Boehringer Ingelheim, Bayer, Pfizer, Roche und Takeda helfen mit. Im letzten Jahrzehnt kamen 15 neue Antibiotika auf den Markt, darunter 6 gegen den gefürchteten Klinikkeim MRSA.
Klar ist: Der Wettlauf der Forscher mit neu entstehenden resistenten Keimen wird in den nächsten Jahrzehnten weitergehen.Gegen gefährliche Viruserkrankungen in den Tropen wird es zunehmend Impfungen geben. Wie etwa gegen das Dengue-Fieber, das von Mücken übertragen wird. Jährlich erkranken 390 Millionen Menschen daran. Das Unternehmen Takeda hat einen Impfstoff entwickelt. Produziert werden soll er in Singen; Takeda investiert dafür mehr als 200 Millionen Euro in das Werk.
Die Grippe verkürzt eine neue Arznei von Roche. Sie lässt sich auch vorbeugend nehmen. An einem völlig neuartigen Mittel arbeitet das Start-up Atriva in Tübingen.
Für Autoimmun-Erkrankungen bringt das nächste Jahrzehnt viele Fortschritte. Bei diesen Krankheiten greift das Immunsystem den eigenen Körper an, bei Morbus Crohn den Darm, bei Atopischer Dermatitis und Psoriasis die Haut. Neue Arzneien stoppen auslösende Stoffe des Immunsystems so, dass die körpereigene Immunabwehr so wenig wie möglich beeinträchtigt wird.
Alt wie Methusalem
Den 100. Geburtstag werden in Zukunft mehr Menschen feiern können. Viele Faktoren haben die Lebenserwartung in Deutschland in knapp 200 Jahren enorm steigen lassen: Fortschritte in der Medizin, im Gesundheitswesen und im Bereich der Hygiene, bessere Ernährung, komfortableres Wohnen, bessere Arbeitsbedingungen sowie höhere Sicherheitsstandards beziehungsweise Maßnahmen zur Unfallprävention.
Schon im Zeitraum von 1871/1881 bis 2016/2018 hat sich die Lebenserwartung bei Geburt deutlich mehr als verdoppelt und lag durchschnittlich in Deutschland bei Geburt für Jungen bei 78,5 Jahren und für Mädchen bei 83,3 Jahren. Bis 2060 können wir wohl noch mal weitere fünf Lebensjahre erwarten. Der legendäre Methusalem wurde laut Überlieferung übrigens 969 Jahre alt – dieses biblische Alter bleibt vorerst unerreicht.
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Autor: Sabine Latorre, Hans Joachim Wolter