Aktiv
Wirkstoffe für Medikamente: Chemcon startet durch
Freiburg. Das erste Firmen-Klingelschild, der erste eigene Briefkasten – daran erinnert sich Raphael Vogler noch sehr gut. Mit seinem Kommilitonen Peter Gockel gründete der damalige Chemiestudent im Januar 1997 das Unternehmen Chemcon. Der Firmensitz war eine Kellerwohnung in Schallstadt bei Freiburg. „Dort konnten wir zwischen Fahrradkeller und Waschraum unsere Geschäftsräume einrichten, die Miete war günstig“, so Vogler im Gespräch mit aktiv.
Metallhaltige Wirkstoffe für Medikamente herstellen
Der Weg aus dem Keller führte steil nach oben: Heute arbeiten bei Chemcon 125 Frauen und Männer. Hier produziert man im Auftrag von rund 300 Kunden auf gut 5.500 Quadratmetern Wirkstoffe für Medikamente – und bietet Beratungen rund um die Herstellung an. Vogler war gerade mal 28 Jahre alt, als er sein Unternehmen startete: „In meiner Diplomarbeit habe ich mich mit metallhaltigen Biomolekülen beschäftigt. Daraus entstand die Idee, metallhaltige Wirkstoffe für Medikamente herzustellen. Also anorganische Chemie und organische Chemie zu vereinen“, berichtet er.
Solche Medikamentenwirkstoffe werden unter anderem in der Krebs-Therapie und bei Arthritis verwendet. Ihre Herstellung ist aber aufwendig und kompliziert. „Gesundheitsthemen lagen mir schon als Student am Herzen“, sagt Vogler, der privat leidenschaftlicher Sportler ist. Seine Lieblingsdisziplin ist der Marathonlauf – auch, weil der 53-Jährige darin viele Parallelen zu seinem Weg vom Studenten zum Geschäftsführer sieht.
Zum Beispiel, dass die richtige Vorbereitung extrem wichtig ist, will man ein Ziel erreichen. „Man braucht außerdem Durchhaltevermögen und muss sich auf neue Situationen einstellen können“, sagt Vogler. Diese Haltung zieht sich durch die Firmengeschichte: Ein eigenes Labor schien anfangs unerschwinglich für das Start-up. So entstand die Idee, statt mit einer Produktion lieber als Berater auf den Markt zu gehen. „Wir wollten unsere Expertise für hochwirksame bioanorganische Wirkstoffe für seltene, lebensrettende Spezialwirkstoffe nutzen.“
Manchmal möchte der Chef selbst wieder zur Pipette greifen
Ein guter Kontakt zur Universität brachte jedoch schon ein halbes Jahr nach der Unternehmensgründung den ersten Auftrag zur Produktion: einen edelmetallhaltigen Wirkstoff für ein Medikament zur Behandlung von Lungen- und Prostatakrebs. Vogler verhandelte mit Banken, bewarb sich für Förderprogramme und zog 1998 mit Chemcon in den Innovationspark der Stadt Freiburg. Sie bauten einen Reinraum, erste Produktionshelfer wurden eingestellt. Die kamen aus den Familien des Gründerduos: „Unsere Brüder haben uns tatkräftig unter die Arme gegriffen!“
Seitdem ist viel passiert. Vogler, inzwischen Vater einer 15-jährigen Tochter sowie von dreijährigen Zwillingsmädchen, erzählt: „Im Jahr 2000 bestanden wir zum Beispiel das Audit der U.S. Food and Drug Administration ohne Beanstandungen.“ Die Überprüfung der Produktionsbedingungen durch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde gilt als eine der strengsten Prüfungen der Welt. „Das war ein Gefühl wie ein Zieleinlauf beim Marathon.“
Wenn der Chemiker heute durch seine Labore geht, würde er selbst am liebsten wieder zur Pipette greifen. Der Firmenchef streift auch tatsächlich öfter den Laborkittel über: „Der Kontakt zu allen Mitarbeitern ist mir wichtig“, betont der Freiburger. Job und Sport bekommt Raphael Vogler übrigens gut unter einen Hut. Die zwölf Kilometer zwischen Arbeits- und Wohnort nutzt er häufiger als Laufeinheit: „Ich versuche halt immer, 150 Prozent aus allem rauszuholen. Das gilt auch für den Heimweg.“
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Als Student habe ich mit meinem Kommilitonen Peter Gockel eine eigene Idee entwickelt – die wollten wir umsetzten. Es gab aber kein Unternehmen, das so etwas angeboten hat. Also gründeten wir selber eins.
Was reizt Sie am meisten?
Wenn ich eine Idee habe, darf ich sie ausführen. Die Arbeit im eigenen Unternehmen ist vielseitig und gleichzeitig verantwortungsvoll. Und es ist ein gutes Gefühl, mit seinen Produkten mitzuhelfen, Menschenleben zu retten.
Worauf kommt es an?
Man braucht als Unternehmer vor allem Überzeugungskraft: Man muss Banken und Finanzierungspartner, Kunden und nicht zuletzt auch qualifizierte Mitarbeiter für seine Idee und sein Unternehmen gewinnen können.
Autor: Andrea Veyhle