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Wasserstoff, Energieträger für Verkehr und Industrie – Baden-Württemberg spielt vorne mit

02.08.2021

Die E-Mobilität wird im Jahr 2050 Alltag sein. Auf den Straßen fahren zudem Trucks, die von Wasserstoff, Brennstoffzellen und Elektromotoren angetrieben werden. „Besonders für lange Strecken, für große und schwere Fahrzeuge, für Züge sowie für Schiffe und Flieger stellt die Brennstoffzellen-Technologie eine vielversprechende Zukunftsalternative dar“, sagt Manuel Schaloske von der Landesagentur e-mobil BW.

Mehr als nur ein Energieträger nötig

Das Gas Wasserstoff gilt Experten als Energieträger der Zukunft. Die Bundesregierung hat deshalb im Juni letzten Jahres eine Wasserstoffstrategie vorgelegt und will den Einstieg in die Technologie mit 9 Milliarden Euro fördern. Denn neben grünem Strom braucht das Land weitere Energieträger wie Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Mit einer „Roadmap“ forciert auch die baden-württembergische Landesregierung die Entwicklung.

Grüne Kraft aus der Zelle

„Unser Land hat die besten Voraussetzungen, um die Wasserstoffwirtschaft voranzubringen und weltweit eine führende Rolle zu spielen“, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Kern der Technologie ist die Brennstoffzelle. In ihr reagieren Wasserstoff und Sauerstoff elektrochemisch zu Wasser und erzeugen dabei Strom – der dann Elektromotoren antreibt. Auf diese Technik setzt zum Beispiel die Freudenberg Gruppe. Ihr Brennstoffzellen-Experte Felix Herberg prognostiziert: „Nicht nur eine einzelne Technologie wird den Verbrennungsmotor ablösen.“ Bis 2050 können seiner Schätzung nach weltweit mehr als 100 Millionen wasserstoffbetriebene Fahrzeuge emissionsfrei fahren. Freudenberg liefert Gas-Diffusionsanlagen, Filter und Befeuchter für die Brennstoffzellen. Der Reifenhersteller Michelin will jetzt mit Partnern Brennstoffzellen bauen.

Für die chemische Industrie bietet die Technik große Absatzchancen: Sie könnte wichtige Komponenten liefern, wie Membranen, Kohlenstoffpaste oder Grafitpapiere, die bisher nicht im Auto drinstecken.

Viel Know-how erfordern die Tanks für den Wasserstoff: Sie müssen extremen Druck aushalten und zugleich leicht und unfallsicher sein. All das leisten Faserverbundwerkstoffe, wie sie Evonik entwickelt.

Grüner Wasserstoff

In einer Modellregion will die Landesregierung jetzt grünen Wasserstoff mit Ökostrom vor Ort erzeugen und direkt nutzen. Mit dem „Erdöl von morgen“ sollen Autos angetrieben, Häuser geheizt und Industriebetriebe versorgt werden.

Hergestellt wird Wasserstoff zum Beispiel von Evonik in Rheinfelden. Politiker hoffen bereits auf ein „Wasserstoff-Valley“ am Hochrhein. Doch noch ist CO2-frei hergestellter Wasserstoff zu teuer und nicht wirtschaftlich. Allerdings ist Evonik schon heute ganz vorne dabei, wenn es um die Erprobung der nachhaltigen Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff geht. Standortleiter Olaf Breuer sieht seinen Standort „auch als Pilot für eine Wasserstoff-Industrie im Land“. Und schon jetzt ist das Unternehmen, gemeinsam mit dem gesamten Gewerbegebiet, offiziell vom Land Baden-Württemberg als „ultraeffizient“ anerkannt.

Grüner Sprit

Die Mineraloelraffinerie Oberrhein (MiRO) arbeitet derweil an „grünem Sprit“ für Verbrenner: Zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt sie mit dem Projekt „Refuels“ synthetische Kraftstoffe. „Es gibt schon länger Technologien, die Kohlenwasserstoff alternativ zum Rohöl aus erneuerbaren Quellen herstellen“, so Geschäftsführer Markus Scheib.

Dafür spaltet man Wasser mit sehr viel Energie in Wasser- und Sauerstoff. Den Wasserstoff verbindet man mit CO2, etwa aus Industrieabgasen, und erhält daraus synthetisches Rohöl. Das lässt sich in einer Raffinerie zu Benzin und Diesel für Verbrennungsmotoren verarbeiten. Laut Verkehrsministerium beträgt das Investitionsvolumen für den Bau einer Pilotanlage auf dem MiRO-Gelände 500 Millionen Euro.

Die Vorteile flüssiger Kraft- und Brennstoffe: Ihre Energiedichte ist 20-mal so hoch wie in einer Lithium-Ionen-Batterie. Beste Voraussetzungen also für die Speicherung und den Transport von Energie. Autos mit Ottomotor könnte man weiterhin nutzen, ebenso das bestehende Tankstellennetz.

Heimische Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie

  • Bis 2030 ein Umsatz von bis zu 9 Milliarden Euro
  • Bis 2030 eine Bruttowertschöpfung von bis zu 2 Milliarden Euro
  • 16.000 neue Arbeitsplätze in der Branche
  • Mehr als 90 Unternehmen und 18 Forschungseinrichtungen sind landesweit aktiv

Autor: Sabine Latorre