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Chemie produziert mehr Desinfektionsmittel

14.04.2020

Köln. Mancherorts leere Regale in Supermärkten und Drogerien, ja sogar Desinfektionsmittel-Diebstahl in Krankenhäusern: Eine „Initiative Desinfektionsmittel“ des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) macht sich daran, die Engpässe zu beseitigen.

Doch wegen der aufwendigen rechtlichen Regelungen durften bis vor Kurzem nur wenige Spezialfirmen die keimtötenden Mittel produzieren. Deshalb forderte der Branchenverband, die Vorgaben während der Krise zu lockern, um Apotheken und Krankenhäuser schnell beliefern zu können. So hat die BASF vom Landesgesundheitsministerium Rheinland-Pfalz die Erlaubnis bekommen, in die Produktion einzusteigen.

Auf steigende Nachfrage gut vorbereitet

Die erforderlichen Rohstoffe nutzt der Chemieriese am Standort Ludwigshafen normalerweise für andere Prozesse und Produkte. „BASF ist kein Hersteller von Desinfektionsmitteln. Deshalb sind unsere Kapazitäten sehr begrenzt. Wir konzentrieren uns auf das, was vor Ort machbar ist, und unterstützen die Krankenhäuser in der Metropolregion Rhein-Neckar“, sagt Pressesprecher Gert Lödden. BASF gibt die Mittel gratis ab.

Die Chemiefirma CHT hilft ebenfalls in der Not: Teile der Produktion wurden zurückgefahren, um Desinfektionsmittel herzustellen. Das Gesundheitsministerium Baden-Württemberg erlaubte der Tübinger Chemiefabrik, ein Handdesinfektionsmittel zu produzieren und zu vertreiben. „Für die Unternehmen sind Ausnahmegenehmigungen für Wirkstoffe und Produkte sowie die Verfügbarkeit von Behältnissen die größten Herausforderungen“, sagt VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup.

Der VCI und der Industrieverband Hygiene und Oberflächenschutz (IHO) arbeiten gemeinsam an Lösungen. Die IHO-Mitglieder koordinieren die Abgabe an Kunden: Die Versorgung von Krankenhäusern, Altenheimen und Pflegeeinrichtungen hat Priorität. „Die sprunghaft angestiegene Nachfrage stellt die Hersteller vor die Herausforderung, genügend Rohstoffe zur Mischung und genügend Verpackungen für die Abfüllung zur Verfügung zu haben“, heißt es. Die Chemiebranche werde notwendige Rohstoffe wie Iso-Propanol und Ethanol bereitstellen, so der VCI.

Viele Firmen fahren zum Beispiel zusätzliche Schichten. Außerdem werden mehr Desinfektionspräparate statt Reinigungsmittel hergestellt, um Kapazitäten freizumachen. Die Hartmann-Gruppe aus Heidenheim und B. Braun Melsungen prangern denn auch von manchen Online-Anbietern verlangte Wucherpreise für ihre Produkte an – und versichern, dass sie die Produktion hochgefahren haben.

Spende an Krankenhäuser in Wuhan

Ein eigenes Desinfektionsmittel „Rely+On Virkon“ produziert der Spezialchemiekonzern Lanxess, das ebenfalls gegen das neue Coronavirus Sars-CoV-2 wirkt. Eine Tonne Pulver, in Wasser eingerührt, reicht für 100.000 Liter Lösung, die auf feste Oberflächen und Geräte gesprüht wird. „So kann das Produkt bei Desinfektionsmaßnahmen an öffentlichen Orten dazu beitragen, das Risiko einer Kontamination zu reduzieren“, sagt Anneliese Bischof, Leiterin des Marktsegments Desinfektion.

Schon im Februar ging eine Tonne Pulver als Spende an die Krankenhäuser in Wuhan. Jetzt will Lanxess schnellstmöglich zusätzliche Produktmengen liefern. Die wesentlichen Wirkstoffe dafür stellt das Unternehmen selbst her und befürchtet deswegen keine Engpässe.

Der Spezialchemiehersteller Evonik wiederum stellt jährlich über eine Million Tonnen Wasserstoffperoxid (H2O2) und Peressigsäure (PAA) her, vor allem für die Papier- und Zellstoffbleiche sowie die Chemie-Industrie. Beide Produkte wirken gegen Bakterien und Viren – und zerfallen bei Gebrauch lediglich in Wasser, Sauerstoff und Essigsäure. Deshalb werden sie bevorzugt in der Lebensmittel-Industrie, der Tierhygiene, zur Wasseraufbereitung und im Gesundheitswesen eingesetzt.

Autor: Matilda Jordanova-Duda